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Die Kunst des Liebens!

EPILOG – Skorbut oder wie man seine Beutekinder ernährt, ohne dass einer die Rechnung bezahlen muss!

Die Stimmung am Familientisch sagt viel darüber aus wie es einer Familie geht

Teil 6    Der Beifang meiner Frage „Was tue ich wirklich nur für mich?“ war nicht leicht zu verdauen. In mir schrie es nach Anerkennung für all‘ die Last, die mein Mann in Form seines alten Lebens im Gepäck hatte. Wie einfach wäre es doch, wenn nur er und ich alleine bestimmen könnten! Nicht gleich s o v i e l Alltag und Versorgung im Mittelpunkt stehen würden! Für mich hatte sich mein Leben auf den Kopf gestellt. Ich war über Nacht Bonus-Mutter von zwei kleinen Kindern geworden. Ich hatte zwar Glück, sie mochten mich und ich mochte sie, aber sie fraßen meine Selbstbestimmung auf. Ich gab meine Selbständigkeit auf, ließ meine beiden seelenverwandten Freundinnen und meine Herkunftsfamilie im sonnigen Baden zurück, um in den Nieselregen Hamburgs zu ziehen und suchte mir einen Job. Gottlob war es wenigstens Hamburg und nicht Castrop Rauxel!

Mein Mann war und ist die Liebe meines Lebens und das auch, weil es eben nie zur Debatte stand, dass er seine Kinder nur als Wochenendpapa betreut oder gar verlässt. Aber somit war eben auch klar, wer von uns beiden sein Leben ändern muss. Ich bin gefühlsmäßig in Vorleistung gegangen und habe unseren Beziehungsdispo ordentlich überzogen. Das verrückte war, es war mir nicht bewusst! Mein Mann kam immer mehr bei mir in Misskredit und ich meckerte zunehmend an allen Verkörperungen seiner Vergangenheit herum – sprich an Ex, und Beutekindern!

Meinen Mann ließ ich in Ruhe. Was letztendlich nur bedeutete, dass ich ihn nicht direkt angriff. Für ihn sah Ruhe natürlich anders aus. Ständig kritisierte ich die Tischmanieren und Essgewohnheiten der Kinder und gab daran seiner Ex die Schuld. Mein Mann verteidigte seine Brut natürlich mit Zähnen und Klauen. Es vielen immer mehr Sätze der Sorte: „Mein Gott, es sind Kinder, stell Dich nicht so an!“, „Das ist total normal in dem Alter!“, „Das machen alle Eltern so!“ und danach „Aber guck doch mal, sie mögen Dich doch auch!“… Ich konnte die meisten dieser Sätze nicht glauben oder, besser gesagt, nicht fühlen. Zudem verstärkten sie meinen eigenen Glaubenssatz „Der Kinder zu liebe, musst Du Dich zusammenreißen, die haben es nach der Trennung ihrer Eltern schwer genug!“ Ich fühlte mich furchtbar, hasste mich selbst für diese ständige Mäkeleien und fragte mich, warum ich die Kids nicht einfach so lieben konnte, wie sie waren – am besten mit samt ihrer Mutter!Wie konnte ich nur so auf ein unschuldiges, kleines Kind schauen? Es war ein ständiges Hin und Her. Das Hin war: „Reiß Dich zusammen, es sind doch nur Kinder!“

Das Her war: „Aber müssen die denn an meinem Tisch schmatzend ihre ungesunden Würstchen mit den Fingern vertilgen?“ Hätte meine Therapeutin in der Zeit nicht mit soviel Empathie und so gar keiner Verurteilung auf mich und meine schändlichen Gedanken reagiert, ich hätte sie und mich nicht anerkennen und somit auch nichts verändern können.

 


„Es ist unmöglich sich zu verändern, bevor man so gesehen wurde, wie man ist.“

Jesper Juul


 

Es überraschte mich immer wieder, dass sie mir so tiefes Verständnis entgegen brachte. Denn ich dachte, dass meine Gedanken und mein Handeln falsch sind – und somit ich falsch bin!
Bei ihr fühlte ich mich mit allem willkommen, gesehen und, vor allem, nicht bewertet. Mein Kampfhund verwandelte sich in diesem Klima in das verletzte, kleine Hündchen, dass er eigentlich war und ich konnte anfangen meine Wunden zu lecken. Ich sah, was ich aufgegeben hatte und welchen Preis es mich kostete. Langsam wurde mir die Summe im Ganzen bewusst, die ich da meinem Mann in Rechnung stellte. Wir mussten genau darüber reden und nicht übers Essen, Einkaufen, Manieren etc.. Der Kuhhandel „Kinder 5*-Hotel“ gegen „Anerkennung“ war endgültig aufgeflogen.

Erst wenn wir uns verstanden und gesehen fühlen, können wir uns selbst auch bewusst werden. Dabei helfen uns wirkliche, von tiefem Kontakt geprägte, menschliche Begegnungen. Sie geleiten uns in unser Innerstes, wir sind dann bereit, auch unangenehme Gefühle zuzulassen und uns zu spüren. In diesen Begegnungsmomenten können wir uns selber erkennen und das ist die Ausgangsposition, die wir Menschen für Veränderungen brauchen. Wir müssen erst „klar fühlen“ und sehen „wo“ wir stehen und „warum“ wir da stehen! Danach sind wir bereit, unsere eigentlichen Bedürfnisse dahinter zu sehen. Können erkennen, was uns eigentlich fehlt!  Wir erkennen, dass uns die Nähe fehlt, die wir in engen Freundschaften empfinden oder die Vertrautheit unserer Familie. Auch die Anerkennung, die wir vielleicht in unserem beruflichen Leben erreicht haben, muss nach einem Arbeitsplatzwechsel, erst einmal wieder aufgebaut werden. All’ das verunsichert und wir wollen diese Unsicherheit in unserem Leben nicht haben! Und doch ist es wichtig diese zu spüren, denn wenn ich weiß, was genau mich unsicher macht, kann ich anfangen für mich zu sorgen. Vorher sind wir mit irgendwelchen Strategien beschäftigt – man könnte sagen, dass diese einen Tarnmantel über das Eigentliche werfen.

Mir erschien es zuerst einmal viel gefährlicher meinem Mann mit meinen tatsächlichen Gefühlen zu begegnen. Auch hatte ich Angst, ihm ein schlechtes Gewissen zu machen. Ich wollte „ihn“ ja und auch mein Leben mit ihm in Hamburg und dennoch fiel es mir manchmal unendlich schwer. Ihn damit zu konfrontieren, machte mich mehr als nervös. Aber mein Bewusstwerdungsprozess hatte mich so geöffnet, dass er die Ernsthaftigkeit der Veränderung in unseren vielen folgenden Gesprächen spüren konnte. In diesen Gesprächen konnten wir uns anders als zuvor begegnen.
Wir konnten das erste Mal hören und anerkennen, was für jeden von uns schwer war, ohne einen Vorwurf zu hören oder den Auftrag etwas oder sich selbst zu ändern! Wir konnten uns sehen und Stück für Stück erkennen, wer wir wirklich waren! Wir konnten miteinander über die fehlende Leichtigkeit am Anfang unserer Liebe trauern und manchmal konnte ich einfach neben ihm meine eigenen Verluste beweinen, ohne dass er sich schuldig fühlte oder ging. Und so lösten sich Stück für Stück unsere Konflikte.

Die Nähe, die durch den Prozess zwischen meinem Mann und mir entstand und die unglaubliche Vertrautheit, die sich durch unsere „neue“ Offenheit einstellte,war auch ein erster großer Teil meiner emotionalen „Grundversorgung“, die durch die vielen Veränderungen in meinem Leben Löcher bekommen hatte.

ENDE!

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