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PatchworX – Patchworkfamilie on Xmas

Patchworxs an Weihnachten

Teil 2    „Schöne Bescherung“    Viele Familienmitglieder in Patchworkfamilien haben das Gefühl fremdbestimmt zu sein. Das Gefühl nicht selbstbestimmt handeln zu können, abhängig von den Entscheidungen anderer zu sein, ist für die meisten sogar das größte Problem dieser Familienform.
Warum ist das so? Und wie können wir das vermeiden?
Wenn unser Partner*In bereits eine Familie vor unserer Zeit gegründet hat, bleibt dieses Familiensystem wirksam. Unsere Partner*Innen bleiben für immer die Eltern ihrer Kinder und deren ehemalige PartnerInnen bleiben als elterliches Gegenstück in deren Leben erhalten. Da beißt die Maus keinen Faden ab.

Patchworkfamilien und das Fest der Liebe

Sich als neue(r) Beute/Bonuszuwachs einfach in das FamilienSystem der PartnerIn einzufügen macht wenig Sinn, man wird dort kein Plätzchen finden, das sich nach einem eigenen Zuhause anfühlt.

Familie und Folgefamilie –
es ist Platz für alle da!

Wir können also nicht einfach auf der Bühne auftauchen und die Rolle Beutemutter/Bonusvater einnehmen und an der Aufführung mitwirken. Wenn wir es tun, fühlen wir uns schnell als fünftes Rad am Wagen.
Das Theaterstück muss umgeschrieben werden und bis alle ihre Rollen spielen wollen und können braucht es Zeit!

Es können nicht immer alle gleichzeitig in der Sonne sitzen…

Es muss etwas Eigenes entstehen und in diesem neuen, wachsenden System werden im besten Fall bewußt Bereiche geschaffen, in denen Teile des alten Familiensystems Platz finden können. Wenn man ihnen bewusst Platz macht, überraschen sie einen nicht mehr. Man rechnet mit ihnen und erkennt sie an – genauso wie man das „Neue“ und „Eigene“ anerkennt und ihm Platz einräumt.
Ist das der Fall können sie mit dem neuen System „zusammen wachsen“ sich verbinden und transformieren, denn mit dem Zusammenleben verhält es sich wie mit dem Leben an sich – es kann letztlich nicht geplant werden, nur gelebt.

Natürlich darf und muss man auch entscheiden, wann, wo und in welcher Familienmitglieder-Konstellation das „Alte“ Platz findet und auch festlegen, wann es nicht passt und vor allen Dingen, was man wirklich tun will – Schnittchen reichen gehört auf Dauer wohl eher nicht dazu.

Wenn ich als Beutemutter oder Bonusvater genervt bin von Sofa-Familienfilm-Kuschel-Samstagnachmittagen, kann und darf ich mich ausklinken und etwas für mich tun – am besten etwas richtig Gutes!
Vielleicht mal wieder in die Sauna, in Ruhe durch die Stadt schlendern oder mit alten Freunden ins Stadion.
Was auch immer sich gut und „nach eigener Welt“ anfühlt ist prima – wenn es sich nach Flucht anfühlt, ist die Eigenversorgung noch ausbaufähig.

 

Die Geister die ich rief

Auch ich wollte heile Familie „spielen.“ Aber die Familie meines Mannes war nicht mehr heil und sie war auch nicht meine – noch nicht. Weder er noch seine Ex hatten hinter sich aufgeräumt und sich die Zeit genommen, die Wunden heilen zu lassen. Die beiden waren sich nicht grün und auch das sorgte für Grinch-Stimmung.
Ich wollte damals endlich mit meinem Mann zusammen leben und hatte mir auch nicht genug Zeit genommen, meine ganz eigene Rolle und Position zu finden.
Vor allem dann nicht, wenn seine Kinder und seine Ex mit im Spiel waren.

Wenn ich mit meinem Mann alleine war, war alles sehr viel einfacher.
Dann fühlte sich meine kleine Familie sofort heil an.
Da lag natürlich die Annahme nahe, dass die Vergangenheit meines Mannes und die daran Beteiligten schuld sind. Dort musste die Veränderung stattfinden, sie mussten mir doch einfach nur meinen wohlverdienten Platz einräumen, nachdem ich mich doch jetzt schon wie eine eigene Mutter um ihre Brut kümmerte.
Das machten sie aber nicht!

Statt aufzuhören die Ersatzmama auf der Bühne zu geben, gab ich alles um die Rolle noch besser zu spielen.
Die Kinder waren schön angezogen, dass Haus geschmückt, der Tisch festlich gedeckt und ich stand wie gesagt mit Baby in der Küche. Auf diesem Platz fühlte ich mich furchtbar – gar nicht „heimelich“, eher wie besagtes Heimchen am Herd, schön doof!
Dennoch musste ich diese Rollenverteilung tatsächlich noch 3-4 Jahre durchziehen, bis die Stimmung so eisig war, dass an unserer Nordmanntanne echte Eiskristalle hingen.
Wahrscheinlich grauste es mittlerweile jedem in der Familie vor dem 24. Dezember und das Ganze war eigentlich nur mit ausreichend Alkohol zu ertragen, aber ich stillte die ersten beiden Jahre, diese Lösung entfiel also auch.

Als ich es endlich wagte vorzuschlagen Weihnachten getrennt zu feiern, war mein Sohn fast drei und hatte schon zwei Weihnachtsfeste mit mir in der Küche verbracht.
Meine Beutekinder fanden den Vorschlag natürlich blöd, sie hatten die Sache bis dahin noch am besten weggesteckt. Vielleicht auch weil sie Weihnachten nicht anders kannten.

Die beiden folgenden Jahre stritten wir uns dann um den 24. Dezember und überlegten Wochen vorher, wann die Kinder wohin wechselten.
Ich wollte doch so gerne für meinen Sohnemann ein schönes Fest und für ihn gehörten seine Geschwister natürlich mit dazu.
Letztendlich war dieser Kampf um den 24. Dezember immer noch der Versuch das alte Programm am Laufen zu halten.
Wer durfte das Weihnachtsspiel in diesem Jahr aufführen und war somit der Gewinner?

Irgendwann beschlich mich das Gefühl, dass genau ich mit meiner engen Vorstellung vom 24sten dafür sorgte, dass es bei uns kein „Fest der Liebe“ gab, sondern einen Krampf.
Ja, manchmal brauche ich etwas länger.
In diesem Falle waren es genau fünf Jahre bis ich endlich zu der Erkenntnis kam, dass ich den Rahmen lockern musste.

 


„Advent, Advent…
und wenn das fünfte Lichtlein brennt,
hast du Weihnachten verpennt!“

Unbekannt


 

Ich verkündete also meinem Mann, dass wir in Zukunft einfach immer am 25. Dezember feiern würden.
Er schaute mich ungläubig an und erst als ich ihm meine neue Choreografie für die Weihnachtstage vorstellte, konnte er sich sicher sein, dass da immer noch seine Frau zu ihm sprach.
Ich erklärte, dass schließlich der Rest der Welt auch erst nach der heiligen Nacht am 25.12. Weihnachten feiert und das ja eigentlich auch logisch sei.
Ich hatte wieder alles durch choreografiert und wenig bis nichts dem Zufall überlassen.
Aber diesmal hatte ich die Aufführung nur für meine Familie geplant – nur wir waren auf der Bühne.

Während meine Beutekinder am 24. bei ihrer Mutter waren, wurde bei uns nun der Rotkohl vorgekocht und mein Mann und ich gingen, nach einem herrlichen Abendessen mit unserem Kleinsten rotweinbeschwert in die Christmette und ließen uns von der Bachkantorei in die heilige Nacht singen.
(Unser Kleinster musste damals am Nachmittag nur für fünf Minuten die Augen schließen, um uns die halbe Nacht auf trapp zu halten – das zu organisieren war also kein wirkliches Problem).

Am nächsten Morgen wurden die Kinder abgeholt und am frühen Nachmittag kam schon der Weihnachtsmann. Dieser Listenpunkt war ebenfalls einfach umzusetzen, die Kostüme waren nun alle frei, vorgewärmt und das HoHoHo saß noch vom Vortag.
Wir hatten sogar freie Wahl unter mehreren Kandidaten, denn die meisten Weihnachtsmänner waren am 25. Dezember arbeitslos.

Danach spielten die Kinder selig mit ihren Geschenken und mein Mann und ich schauten ihnen zu. Ich genoss es in vollen Zügen endlich einmal ganz alleine mit meiner Familie zu sein. Gott, war das entspannt!

Unsere Große hatte natürlich mittlerweile gecheckt, dass die Geschenke nicht von dem Mann mit dem roten Kittel kamen und beide Beutekinder fanden meinen Vorstoß mittlerweile auch gar nicht mehr so übel, denn auf diese Weise feierten sie nun zweimal Weihnachten – mit allem Pipapo.

 


„Alles fließt zusammen. Alles wird Ein Ton, Ein Seufzer.“

Johann Gottfried von Herder


 

Das Verrückte ist, auf diese Art feierten wir genau ein einziges mal Weihnachten!
Ja, ihr habt richtig gelesen.
Obwohl wir es genossen haben, dass am 25. noch nicht einmal einer von uns die vergessene Sahne einkaufen gehen konnte, alles vorbereitet war, wirklich nur wir da waren und einfach nur „feierlich feiern“ auf dem Programmzettel stand, kam es nie wieder so.

Nach diesem Jahr hatten wir, wie durch Zauberhand, immer den 24. Dezember abbekommen und das obwohl wir den 25. beantragten; und ich musste mich sehr beherrschen jetzt nicht auf den 25. Dezember zu bestehen…!

 

Meine Erfahrung als Familientherapeutin ist, dass sich oft erst einmal nur einer im System entspannt und sich dann, nach und nach, das ganze System entspannen kann.

Und so war es auch bei uns und unserer Weihnachtsgeschichte.
Ich hielt nicht mehr an meiner Vorstellung fest und änderte den Rahmen.
Ab da ruckelte sich alles neu zurecht.
Alle suchten sich ein neues Plätzchen und setzten neue Prioritäten.
Nach fünf Jahren Krampf löste sich auf einmal alles fast von alleine.

Es war unser kleines Weihnachtswunder.

Ich wünsche euch allen ein frohes Fest!

Eure Claudia

 

Hier noch ein paar letzte Tipps für PatchworX an Weihnachten,
damit es hoffentlich erst an Silvester kracht 😏

Ein Fest der Liebe kann man immer feiern, nicht nur am 24. Dezember.
Steckt also euren Rahmen nicht so eng und überlegt, wer wann auf der Bühne steht.

  • Dafür ist es hilfreich eine ehrliche und offene Familienkonferenz abzuhalten, gerade wenn die Kinder schon älter sind.
    Jeder darf sagen, was er sich für das Fest wünscht. Erst wenn man alle Wünsche gehört hat, können alle Familienmitglieder versuchen sie zusammen zu puzzeln und den richtigen Rahmen zu finden.
    Vielleicht fährt Papa dann am Nachmittag für 2 Stunden zur Ex und packt dort mit den gemeinsamen Kindern die Geschenke aus. Danach startet erst das Weihnachtsprogramm mit der Partnerin. Diese betreibt in dieser Zeit eine gute Selbstfürsorge und auf keinen Fall erledigt sie schon einmal die Arbeit, die man sonst gemeinsam machen würde. Oder ihr wechselt jahresweise, feiert 2x Xmas oder, oder, oder …
    Tut was ihr braucht, um es genießen zu können und wenn es dafür 7 statt 3 Weihnachtsfeiertage braucht.
  • Auf diese Weise bestimmen alle mit und jeder kennt die Wünsche des anderen und die eigenen. Alle „bestimmen“ mit und jeder für sich selbst. So entsteht eine gemeinsam gelebte Selbstfürsorge und die Fremdbestimmung hört auf.
  • Schickt Dingen, die ihr nicht ändern könnt, Licht und Liebe hinterher, lasst los und macht euch einen Sekt auf (gibts auch ohne %e)!
  • Ladet nur die Menschen ein, die ihr wirklich um euch haben wollt und wenn das nicht geht – und eigentlich geht es immer – dann beschränkt den zeitlichen Rahmen der Zusammenkunft.
    Patchworker bekommen ihre eigenen Bedürfnisse schon kaum unter einen Hut, da kann man nicht auch noch die Bedürfnisse der Schwiegereltern erfüllen. Sie müssen dann eben warten bis nach Weihnachten.
    Keine Sorge, Schwiegereltern sind in der Regel schon erwachsen und Erwachsene können einen gewissen Bedürfnisaufschub leisten.
  • Gestaltet das Fest, wie es für euch gut und stressfrei ist.
    Manche essen z.B. ganz freiwillig und aus Tradition Kartoffelsalat mit Würstchen.
    Andere um Stress zu vermeiden.
  • Und zum Schluss noch ein schönes Interview zum Thema „Väter und Weihnachten “ von Patchworkmama Yvonne Woloschyn mit Carsten Vonnoh, Coach & systemischer Berater für Väter, auf YouTube.
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