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Skorbut III

oder wie man seine Beutekinder ernährt, ohne dass einer die Rechnung bezahlen muss!

 

Teil 3    „Was du kaust oder nicht kaust, entscheidest alleine du!“ sagte meine Therapeutin „Das liegt in deinem ganz persönlichen Verantwortungsbereich.“ Glück gehabt! „Was ihr einkauft liegt in eurem, nennen wir es übergeordneten, Verantwortungsbereich. Ihr trefft die Entscheidung für was ihr Geld ausgeben wollt und für was nicht. Klar, im besten Falle seid ihr euch einig – aber letztendlich entscheidet jeder von euch selbst, was er in den Wagen packt und mit nach Hause bringt! Du kannst deinen Mann auch bitten, dir „deine“ Lebensmittel vom Einkaufen mitzubringen. Aber du kannst nicht dafür sorgen, dass er sich und seine Kinder so ernährt wie du es willst, schon gar nicht, wenn das Thema für ihn nicht den gleichen Stellenwert hat, wie für dich!“ Okay, doch Pech gehabt! Ich schwieg. Sie setzte nach „So wie es aussieht, fühlt er sich wie ein Schuljunge der kontrolliert wird… .“ Ja, es stimmte ich kontrollierte ihn oder, sagen wir, den Inhalt unseres Kühlschranks. Wenn wir unseren Partner ändern wollen, endet dies meist in einem destruktiven Konflikt. Wir wollen sein Verhalten ändern – ihn erziehen. Ohne zu bedenken, wie es ihm dabei geht oder seinen Standpunkt zu berücksichtigen. Das macht unser Gegenüber zum Objekt!

Erziehung ist letztendlich immer demütigend – das ist auch bei Kindern nicht anders! Aus diesem Grund lassen wir uns nur erziehen, wenn wir uns von der Person, gesehen, anerkannt und geliebt fühlen. Das wissen alle Bonuseltern nur zu gut! Eine Beziehung muss wachsen und von sehr guter Qualität sein, bevor wir uns als Bonuseltern zu Erziehungsberechtigten qualifizieren.

Ansonsten lautet die typische Antwort unserer Beutekinder „Du hast mir gar nichts zu sagen!“ Denn letztendlich verändern wir unser Verhalten entweder, wenn wir überzeugt sind und unseren Standpunkt tatsächlich ändern oder wir tun es dem anderen zu liebe. Meine Argumente leuchteten meinem Mann natürlich ein – er war ja nicht blöd! Aber trotz meines missionarischen Eifers war er nicht bereit, den gleichen Aufwand zu betreiben und sich ins Kleingedruckte zu vertiefen. Für ihn ernährten wir uns gesund genug! Ich fasste mein Resümee aus der Sitzung zusammen: „Okay, ich kann natürlich nicht dafür sorgen, dass mein Mann so denkt wie ich! Und wenn ich Druck auf ihn ausübe, erzeuge ich Widerstand!“
Soweit so schlecht!

Aber was hieß das jetzt für mich? Alles akzeptieren?

„Nicht alles, aber IHN so akzeptieren wie er ist!“ war die Antwort meiner Therapeutin. „Wir können niemanden verändern!“ Ich schaute sie lange an, sie hielt den Blick. Irgendwann lächelte sie ihr mildes Lächeln und fügte hinzu: „Zudem müsstest du dann auch mit dem „Glücklich sein“ warten, bis er sich ändert!“ Es folgte eine weitere Pause. Ich sagte: „Stimmt, ich fühle mich unzufrieden und abhängig! Ich warte darauf, dass er endlich sein Einkaufen, sein Kochen, sein Nahrungsangebot für seine Brut ändert.“ Die Sitzung war zu Ende. Ich aber kaute noch lange auf jedem einzelnen Wort herum. Das ich in dieser Stunde das erste Mal fühlte, dass ich meine Zufriedenheit in die Hände meines Mannes gelegt hatte – meine Stimmung also vom Verhalten meines Mannes abhing – war ein wichtiger Meilenstein von einem, zugegeben noch etwas längerem, Folgeprozess, an dessen Ende endlich jeder gerne bei uns am Tisch saß.

Stück für Stück ging mir auf, dass ich mich, da wo es mir sooo wichtig war, selbst versorgen musste. Mein Mann würde nur genauso handeln, wenn er den gleichen Standpunkt hätte – hatte er aber nicht, Punkt! Und ich war mit Anfang dreißig – alt genug, um mich selbst zufrieden zu stellen! Mein erster Lösungsansatz war naheliegend aber nicht erfolgreich. Ich fing wieder an zu kochen und übernahm öfter den Einkauf. Dass das nur so lange gut ging, bis es mir damit wieder schlecht ging, liegt auf der Hand. Wir sind grundsätzlich mit einem guten Gespür ausgestattet. Immer wenn wir Dinge nicht von Herzen gern tun, bekommt jemand früher oder später die Quittung präsentiert. Es gilt also gut auf sich aufzupassen! Es lohnt sich bei einzelnen Tätigkeiten einmal innezuhalten und sich zu fragen, ob man das, was man da gerade tut, gerne macht. Wird da ein Bedürfnis befriedigt, also etwas, was uns am Herzen liegt? Etwas, das wir brauchen? Etwas, das unseren Werten und Überzeugungen entspricht? Meist machen uns solche Tätigkeiten, selbst wenn sie anstrengend sind, zufrieden. Während uns weniger anstrengende, die nicht unseren Überzeugungen entsprechen, die Kraft rauben und uns nerven.

Okay, das Kochen selbst machte mir Spaß. Es ging mir leicht von der Hand und ein nicht zu unterschätzender Vorteil vom selber kochen ist, dass man selbst bestimmt, was auf den Teller kommt.
Zudem waren meine Tischgenossen mittlerweile sehr dankbare Abnehmer. Auf Dauer bevorzugen wohl auch Geschmacksnerven im Kindergartenalter eine gewisse Vielfalt. Spätestens beim Küche säubern sank meine Laune allerdings wieder auf Höhe des schmutzigen Küchenbodens.

Als ich meiner Therapeutin über meine neuen Kocherlebnisse und die nicht gemachten Fortschritte in Kenntnis setzte, gab sie mir den Auftrag, genau zu prüfen, was ich wirklich tun will und was ich nicht tun will – ganz einfach, oder?

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