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Skorbut IV

oder wie man seine Beutekinder ernährt, ohne dass einer die Rechnung bezahlen muss!

Teil 4    Ich sollte also nur tun, was ich wirklich will und somit niemandem eine Rechnung ausstelle. Einfacher gesagt, als getan!

Was wollte ich wirklich? Klar hatte ich eine Endlosliste, die ich nachts um drei auswendig aufsagen konnte mit Dingen die ich gerne hätte: Längere Wimpern, neue Schuhe, eine Reise auf die Lakkadiven, reiche Eltern oder wenigstens Schwiegereltern etc.. Aber was will ich wirklich? Was brauche ich? Wo kann ich einen Teil von mir nicht leben und was nährt mich? Ich kam auf die Idee die Frage umzuformulieren: „Was tue ich wirklich nur für mich?“ So erschien sie mir einfacher zu beantworten.

Also: „Kochen? Nur für mich?“  Antwort: „Nee, natürlich nicht!“

Ich analysierte genauer:

Ich koche zwar gerne aber ich mag das drum herum nicht. Weder den Großeinkauf noch den Abwasch. Einkaufen auf dem Isemarkt und bei „Paola“, dem kleinen italienischen Laden, mal ausgenommen. Oliven, Käse, ach einfach alles schmecken hier besser – liegt bestimmt an der Verdi-Dauerbeschallung. Hier zu sein war für mich Inspiration! Danach schnell nach Hause und aus den leckeren Dingen etwas zaubern – das war für mich wirklich ein Genuss! Einkauf, Kochen und guten Rotwein eingeschlossen, äh hicks eingegossen. Resümee aus diesem Punkt: Komplett-Einkauf und die Küche nach dem Kochen in Ordnung bringen ist mir zu viel.

Mit dem Kochen war es komplizierter:

Ich esse zwar nicht sonderlich viel aber besonders gerne gut! Wenn es mir nicht so richtig schmeckt, lasse ich es lieber. Diese Veranlagung macht es anderen Köchen an unserem Herd nicht gerade leicht. Ich schleiche dann gerne um den Herd und gebe gut gemeinte Tipps, wie man das Gericht noch verfeinern könnte. Bei meinem Mann kommen die Anregungen nicht gut an. Er weiß das alles nur bedingt zu schätzen und versucht mich meist unter dem Vorwand „Dass ich die Zeit doch nun besser für mich nutzen solle“ aus der Küche zu lotsen. Resümee: Ich könnte das Kochen auf Dauer nur an Frau Wiener oder Frau Poletto abgeben (auf Grund des Männerüberschusses in meiner Familie, hatte ich schon einmal vorsichtshalber eine Frauenquote eingeführt).

Ich wollte also, was das Kochen angeht, den Hut aufbehalten!

Ein nicht einkalkulierter Beifang meiner Fragestellung war, dass ich mich nun auch fragte, was für mich noch mit dem Kochen verbunden war: Hierzu fielen mir gleich mehrere Antworten ein. Die meisten davon, sorgten erst einmal für glühende Ohren, so sehr schämte ich mich! Macht also beim Weiterlesen das Licht aus und falls ihr Kirchgänger seid, zündet bitte beim nächsten Mal eine Kerze für mich an!

Die Mutter meiner Beutekinder und Ex meines Mannes kochte, sagen wir, recht einfach. Noch erbärmlicher waren die Ergebnisse, die ihren Backofen verließen. Es war also leicht für mich, hier Punkte bei Mann und Beutekinder zu sammeln. Ich wollte ihm beweisen, dass er jetzt die bessere Damenwahl getroffen hatte. Mit meinem Wissen über Ernährung bespielte ich ein ähnliches Feld. „So etwas müssen Mütter doch nun wirklich wissen, oder?“ Meinen Mann verschonte ich aus Gründen der gefühlsmäßigen Nähe auf dem Gebiet. Bio oder ungesund! So einfach war das für mich. Hinzu kam die unbedingte Aufgabe eines jeden, dass man zumindest versuchen muss, mit seinem Einkaufskorb die Welt zu verändern! Von der Unterstützung nicht unterstützenswerter Großkonzerne und Discountern mal ganz abgesehen – die gehen ja sowieso gar nicht!!! Man beweist mit dem Einkauf „wes Geistes Kind man ist“! pflegte ich zu denken. Überflüssig zu erwähnen, wer diese Dinge dort kaufte, oder?

Der Nebenkriegsschauplatz lag nun in taghellem Licht. Ich versuchte mir die Anerkennung meines Mannes auf Kosten seiner Ex zu erkämpfen. Nach dem Motto „Ich bin einfach die Bessere und deshalb versorge ich Deine Kinder sooo gut“. Tja, um mein Selbstwertgefühl war es nicht gut bestellt! Zudem forderte ich eine Art Wiedergutmachung von ihm für all‘ die Arbeit und, nicht zuletzt, für die Einschränkung meines Lebensentwurfs durch sein bisheriges Leben. Denn wer träumt als kleines Mädchen schon von einem bereits gebrauchten Prinzen mit Anhang?

Resümee aus dem Beifang: Ich habe an meine Familie in dieser Zeit mehr Gift verfüttert, als in den mickrigen Inhaltsstoffen von Nudeln mit Ketchup je drin sein kann!

Persönlich für sich, seine eigenen Bedürfnisse, Werte und Wünsche Verantwortung zu übernehmen, können nur wir! Wer, wenn nicht wir, soll wissen, was wir wirklich brauchen, wann wir uns selbst verlassen müssen oder was wir uns wünschen? Nur wir fühlen, wann uns etwas Kraft gibt, sinnvoll erscheint, uns beflügelt oder uns schwächt. Wir sind die Experten für unser Wohlergehen! Um zu wissen was für uns existenziell ist, und was nicht, brauchen wir Beziehungen in denen wir uns und unsere Grenzen spüren. Um sie genau kennenzulernen braucht es Grenzüberschreitungen in beide Richtungen. In der einen lassen wir zu, dass uns jemand auf die Füße tritt und in der anderen müssen wir die Erfahrung machen, wie es sich anfühlt, jemanden zu verletzen. Mit diesem Wissen können wir uns auf Dauer Nahe sein! Wenn wir anderen die Aufgabe zuteilen uns zu versorgen, ihnen unsere persönliche Verantwortung übertragen, kann das nicht gelingen. Unser Partner kann nicht wissen was wir (eigentlich) brauchen! In diesem Fall, sehr vereinfacht gesagt, war es die Anerkennung als Frau / Mutter  / Partnerin, die eigentlich gebraucht wurde. Getarnt und doch eingefordert als Gegenleistung für die Versorgung der Familie.

 


„Der Mensch wird am Du zum Ich“

Martin Buber


 

LEST IN TEIL 5 WIE DAS THEMA KOCHEN UND KÜCHE HEUTE BEI DEN HILLMERS GELEBT WIRD!
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