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Alle an Bord und über’m Berg

Familienphoto meiner Patchworkfamilie (Bonusfamilie)

Teil 9 „Versprochen ist versprochen…“     Heute möchte ich mit euch zusammen zurückblicken. Unser jüngstes Mannschaftsmitglied ist mittlerweile 5 Jahre alt und ein Leben ohne ihn für uns alle unvorstellbar. Gottseidank erlebt jeder der Kinder hat, dass diese, kaum dass sie das Licht der Welt erblicken, uns und unser Dasein komplettieren. Auch dann, wenn wir gar nicht wussten, dass uns etwas gefehlt hat.

Dennoch wirbeln sie so einiges auf und bringen manches durcheinander. So auch in unserer Bonusfamilie.
Mein Mann wollte keine Kinder mehr, sondern (endlich) wieder, nach ca. 16 Jahren, sein Bett nur noch mit mir teilen.
Er genoss es, dass unsere Kinder zu diesem Zeitpunkt alle altersmäßig den Rubikon überschritten hatten. Er konnte endlich wieder durchschlafen und meist sogar ausschlafen. Unsere Kinder fuhren fast alle Strecken mit dem Fahrrad oder der S-Bahn und mussten nur noch selten gebracht werden – schon eher des Nachts geholt.
Wir durften mittlerweile unsere Mahlzeiten beidhändig und in Ruhe einnehmen und mein Mann vermisste weder die Taxidienste, noch die, durch ein durchdringend vom Klo geschrienes „Fertig“, unterbrochenen Abendessen.

Baby an Bord – Matrose Mats zieht in unsere Bonusfamilie ein

Nun war Mats da und wir aßen wieder einhändig, mit Baby in der anderen Armbeuge oder auch an der Brust, denn auch Mats wollte mit uns gemeinsam essen – wie alle Babys!
Wir schliefen weder durch, noch aus und ab fünf Uhr abends lief einer von uns wie ein Tiger mit ihm im Tragetuch auf und ab oder saß auf unserem Gymnastikball und machte „schschschsch“ Geräusche um ihn durch die Rückversetzung in meinen Mutterleib, durch die schweren Abendstunden zu geleiten.

Bald hatten wir einen Rhythmus gefunden, mit dem es unserem kleinen Matrosen gut ging – klar nach drei Kindern hat man die grundsätzliche Handhabung eines Neulings etwas schneller raus – selbst, wenn er sich mit der Erdenankunft und/oder seiner Verdauung nicht ganz leicht tut. Wahrscheinlich zu wenig Seegang 🤔
Dennoch war unsere selbstbestimmte Abendgestaltung und unser Paarleben erst einmal wieder dahin.

Auf leisen Sohlen

Ich trat in dieser Zeit zurück, versuchte möglichst viel „Babyarbeit“ zu übernehmen. Die Nachtschichten hatte ich eh an der Backe beziehungsweise an der Brust. Morgens übernahm Jan und ich durfte liegenbleiben bis er losmusste.

Meine schleichende Rücksichtnahme bestand hauptsächlich in der stillen Beobachtung von Jan. Wenn er zur Tür hereinkam, machte ich erst einmal einen Launen-Checkup. Falls der Stimmungspegel niedrig war, übernahm ich weiterhin mehr Babybetreungs-Aufgaben und das auch dann, wenn ich gut mal eine Pause vertragen hätte. Jan bekam von diesem Schonprogramm nichts mit – glaube ich wenigstens.

Ich schon und ich wusste auch, dass das ohne Aufarbeitung nicht gut gehen würde.
Also kotze ich mich regelmäßig in meiner Kleingruppe* aus und lies mich innerhalb meiner Familientherapeuten-Ausbildung beraten. Das half! Ich brauchte diesen Raum, um mir in meiner Rolle, dem was ich wollte und meiner damit verbundenen persönlichen Verantwortung klar zu werden.
Wenn ich mit etwas nicht zufrieden war, mir unser Zusammenleben und Elternsein anders wünschte, half „unter den Teppich kehren“ nur bedingt. Mindestens ich musste für mich einen Umgang damit finden.
In meiner Kleingruppe und im Plenum hob ich also regelmäßig den Teppich hoch und räumte meinen Anteil darunter vor. Ich sortierte und verarbeitete und kehrte im Anschluss Jans Teil wieder sorgfältig darunter – ich scheute den Konflikt mit ihm und zog es vor, mich vorerst um mich zu kümmern.

 

Auch wenn nur ein/e Partner*In arbeitet, kann das sehr hilfreich sein – quasi Paarberatung allein (mit Therapeuten*In).
Die eigene Klarheit hat Einfluss auf die Beziehung und natürlich auch darauf, wie es einem geht.
Schon sich über die eigenen Bedürfnisse und Wünsche klar zu werden, steigert das Wohlbefinden, denn gleichzeitig erlangt man Stück für Stück das Bewusstsein, für die eigene, ganz persönliche Verantwortung diesen Bedürfnissen gerecht zu werden.
Die meisten von uns finden es nämlich überaus verlockend, den Partner für die Erfüllung der eigenen Bedürfnisse verantwortlich zu machen.
Doch wenn wir immer vom Partner*In erwarten, dass sie oder er uns gibt was wir brauchen, sind wir sehr abhängig von dieser Art der Versorgung.

Durch die Einzelarbeit nimmt man die Verantwortung wieder an sich und geht aus der Warteposition. Wir kommen wieder in Bewegung und schauen nach vorne, fangen an Dinge zu verändern und uns um uns selbst zu kümmern.

 


„Wir können niemals im Außen finden,
was uns im Inneren fehlt“

Unbekannt


 

 

Ich suchte mir einen Job, in dem ich mit Eltern arbeiten konnte und mein Baby mitnehmen; dafür war meine gewählte Profession hilfreich– als Steuerberaterin wäre das wohl schwerer geworden.
Mats wurde auch zum jüngsten Teilnehmer der Familientherapeut*Innen-Ausbildung am ddif.

Papa und Sohn

Als Mats ein Jahr alt war, lies ich ihn für die letzten Module meiner Ausbildung bei Jan. Mein Sohn hatte sich mittlerweile selbst abgestillt und war somit bereit und ich hoffte, dass es mein Mann auch war.

Letztendlich war das, glaube ich, auch alles gut wie es war.
Mein Mann brauchte dieses erste Jahr Schonzeit und aber auch den 4-tägigen Vollkontakt pro Modul. Es war der richtigen Zeitpunkt. Ich konnte Mats loslassen und darauf vertrauen, dass die Beiden ihren Weg finden werden. Aufgeregt war ich aber schon.

Mats wurde in dieser Zeit zum Papakind und ich musste mir nach jeder Rückkehr erst einmal wieder seine Gunst erarbeiten.
Jan wurde zum Babyversteher. Er genoss es, in dieser Zeit die Nummer eins zu sein, wenn es ans kuscheln, trösten und in den Schlaf begleiten ging.

Aber was sagt eigentlich mein Mann dazu?

Das lest ihr im nächsten Teil!

 

* Innerhalb der Ausbildung zur Familientherapeut beim ddif ist man Teil einer Kleingruppe. Diese werden bei Beginn aus dem Teilnehmerkreis zusammengestellt und oft auch als Familiengruppe bezeichnet. Sie sind der Ort, an dem sowohl die Inhalte als auch die fachliche und die persönliche Entwicklung reflektiert und gefestigt werden kann; hier wird „Beziehung geübt.“
Innerhalb der gesamten Teilnehmerrunde hat man immer wieder die Möglichkeit, sich alleine oder mit der ganzen Familie bzw. Teilen davon, beraten zu lassen. Dies ist ausdrücklich erwünscht und willkommen. So kann jeder an persönlichen Themen arbeiten und gleichzeitig gibt es den Mitstudierenden die Gelegenheit sich in Beratung zu üben. Dabei werden sie von den Dozierenden supervisiert.

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