Teil 7 „Versprochen ist versprochen…“ Die Nachfolgende Untersuchung verlief wie immer: Ich vergaß zu atmen und starrte abwechselnd auf den Ultraschallmonitor und in das Gesicht des untersuchenden Arztes.
Da entdeckte ich plötzlich das kleine, wie wild pumpende Herzchen meines Sohnes – es schlug! Er lebte, Gott sei dank!
Ich war erleichtert! Das wichtigste Kriterium war schon einmal erfüllt.
Das wir einen Sohn bekamen, stand ebenfalls außer Zweifel 😉 – denn auch diese Tatsache war gut zu erkennen und nicht zu übersehen. Ich musste grinsen – er konnte also auch Leben spenden.
Ich zählte gerade seine Finger und Zehen, da kam die erlösende Botschaft von kompetenter Seite:
„Glückwunsch, alles prima und wie es sein soll!“ sprach der Mann in weiß.
Ich verabschiedete mich und verlies erleichtert die Praxis.
Schon auf dem Weg zum Auto beschwerte meine Hass-SMS allerdings wieder mein Gemüt. Wie hatte mein Gatte die Botschaft aufgenommen und was erwartete mich, wenn ich nach Hause kam?
Siri ist schuld!
Er empfing mich schon auf der Auffahrt und ein leicht verschmitztes Grinsen umspielte seine Lippen.
„So, so, ich bin also ein ver-Beepter*, verantwortungsloser Macho-Beep*!“
„Ich wusste gar nicht, dass Du solche Wörter kennst.“
Ich log: „Ich kenn die auch nicht, das war Siri!“ nahm ihn in den Arm und sagte „Unser Sohn ist pumperl gesund!“
Jan lächelte: „Ein Junge! Ich wusste es!“
„Ein Kind füllt einen Platz in Deinem Herzen,
von dem Du nicht wusstest, dass er leer war.“
Unbekannt
Drinnen schauten wir uns die ersten Fotos unseres Neuzuwachses auf dem Laptop an. Ich hatte sie auf einem Stick aus der Praxis mit nach Hause gebracht. Natürlich beobachtete ich auch hierbei meinen Mann – war da vielleicht ein Lächeln?
Ich glaubte ein klitzekleines zu entdecken.
Geburtsvorbereitung mit mehrstündiger Anfahrt
Die eigentliche Wendung kam, als ich uns beide zu einem Schwangerschaftskurs in Berlin anmeldete – von Hamburg aus, nicht gerade um die Ecke.
Drei Samstage á drei Stunden – ohne An- und Abfahrt gerechnet.
Diese besondere Vorbereitung wurde von einer Studienkollegin geleitet, Mara. Sie arbeitete schon ewig lange mit werdenden und frisch gebackenen Müttern. Sie gab Yogakurse, war Doula und ihr Wissen rund um Schwangerschaft und Geburt war riesig.
Mara kannte zudem unsere Geschichte und ich mochte sie sehr gern; sie war warmherzig und dabei nicht zu „engelig“.
Sie wusste von der 18-stündigen, Saugglocken inklusive Dammschnitt Geburt und sagte innerhalb eines unserer Ausbildungsmodule zu mir:
„Da solltest Du vor der nächsten Geburt dran arbeiten. Komm doch zu mir nach Berlin.“ und fragte „Kennst Du eigentlich Hypno-Birthing?“
Für mich war sofort klar, dass ich das machen wollte und ich nahm ihr Angebot dankbar an.
„Dran arbeiten“ klar, „wie“ noch unklar.
Aber Mara hatte da offensichtlich ein paar mehr Ideen, als paarweise im Schneidersitz zu hecheln.
Guter Hoffnung
Mit mehr Zuversicht und ohne das Gefühl „es könnte wieder etwas schiefgehen“, in die zweite Geburt zu gehen, das wäre schön. „Angst“ und „Loslassen“ sind nämlich schwer zu vereinbaren.
Außerdem machte mich Hypnobirthing neugierig. Von Zahnbehandlungen unter Hypnose hatte ich schon gehört, aber hypnotisiert Kinder kriegen?
Mara schickte mir direkt nach unserem Modul die ersten YouTube-Links.
Ich konnte kaum glauben, was ich da sah – wie schön und wie berührend!
So „sollte“ gebären eigentlich sein!
Die Geburten, waren so unterschiedlich wie die Frauen, die da zu sehen waren.
Aber ihnen war gemeinsam, dass sie in einer Umgebung stattfanden, die es den Frauen erlaubte, sich in diese besondere Situation voll und ganz hineinzubegeben.
Sie konnten sich selbst, ihrem Körper und ihrem Kind vertrauen und waren von Menschen umgeben, die sie unterstützten.
Das wollte ich auch!
Dafür wäre ich sonst wo hin gereist – am liebsten immer mit Mara an der Hand bis in den Kreißsaal. Und da das wegen der Entfernung Hamburg – Berlin schwer zu realisieren war, musste mein Mann mit.
Lange Wege
Das die Geburtsvorbereitung bei Mara noch einen weiteren „Beifang“ für uns mit sich brachte, ahnten wir nach unserer ersten Fahrt nach Berlin. Wir hatten entschieden mit dem Auto zu fahren, weil wir uns nach dem Kurs die Freiheit nehmen wollten, was auch immer zu tun.
Mit Mara essen gehen, falls sie dafür Zeit hätte, Sightseeing – eben „was auch immer“.
Zu Beginn unserer Autofahrt in die Hauptstadt, schwiegen wir uns an. Nicht verwunderlich, es war erst halb sieben und die Sonne schlief an diesem Wintermorgen ebenfalls noch.
Bei Parchim fragte Jan mich schließlich, warum es mir so wichtig sei, diesen Kurs mit Mara zu machen und ich erzählte ihm davon, wie sehr ich mir auch so eine Geburt wie in den Hypno-Videos für unseren Sohn und mich wünschte.
Jan fragte: „Hast Du Angst vor den Schmerzen?“
„Ja, schon“ entgegnete ich, aber ich spürte schon als ich es sagte, dass es differenzierter war.
Meine Angst war, dass da wieder „etwas“ mit mir passierte, auf das ich keinen Einfluss hatte. Den „natürlich“ Teil, die Wehenschmerzen, traute ich mir zu.
Heilung alter Wunden
Diese Hypnobirthing-Videos hatten eine Sehnsucht in mir ausgelöst; ich sehnte mich nach einer Geburtserfahrung, die diesen in den Videos glich.
Ich wollte das Gefühl des Ausgeliefert seins, nicht noch einmal erleben. Nicht zu wissen was warum passiert; ohne Information und somit ohne die Möglichkeit einschätzen zu können, ob das sein muss.
Mein Vertrauen, dass ich dem damaligen Klinikpersonal entgegen gebracht hatte, war missbraucht worden.
Das alles hatte ich nach der Geburt verdrängt.
War dem Satz der Ärztin gefolgt „Jetzt ist es vorbei und die Hauptsache ist doch, dass ihr Baby gesund ist!“
Stimmt! Aber rechtfertigt das alles?
Jetzt war alles wieder sehr präsent und ich fasste es noch einmal zusammen, wie ich es erlebt hatte:
„Erst lassen sie Dich stundenlang alleine „wehen“ und kümmern sich nicht. Dann die erste hochgezogene Augenbraue beim Blick auf den Wehenschreiber, gefolgt von dem Kommentar „Jetzt, muss hier aber bald mal was passieren!“
Ich fragte mich damals:
„Und was jetzt genau?“ und „Kann ich das tun?“ Aber bevor ich fragen konnte, war ich schon wieder mit meinem Mann alleine im Zimmer.
Ich wurde damals unsicher und das Gefühl, das irgendetwas nicht stimmte, sorgte nicht für einen schnelleren Fortgang der Sache.
Es folgte der Wehentropf, dann die Wehenhemmer, dann wieder Tropf, dann die PDA, die Saugglocke, der Dammschnitt und die Naht des selbigen ohne Betäubung.
Aber die Ärztin versicherte mir zum Glück, dass ich auf keinen Fall etwas spüren könne.
Na, so kann man sich täuschen!
Wenn ich damals kein Kind dafür bekommen hätte, hätte ich bestimmt geschrien.
So hielt ich aus, bis alles vorbei war und tröstete mich mit dem größten Schatz der Welt in meinen Armen.
Stimmt, er war die Hauptsache; und trotzdem wünschte ich mir jetzt in diesem Augenblick soo sehr, dass meine nächste Geburt anders wurde!
„Es wäre so schön, wenn ich es jetzt mit unserem Baby anders erleben dürfte. Dafür möchte ich alles tun, was möglich ist!“
„Ja, das wäre schön!“ sagte Jan.
Jan hatte schon drei Geburten mit gemacht und alle entwickelten zum Ende hin eine gewisse Dramatik. Die erste endete mit Kaiserschnitt, obwohl auch da zuerst alles normal lief. Bei der zweiten kristellerte die Hebamme und bei Nummer drei half die Saugglocke.
Auch er hatte genug davon und wünschte sich sehnlichst eine andere Erfahrung.
Langsam justierte sich unser Navigationssystem neu.
Gemeinsames Ziel: Sanfte Geburt
Bis wir bei Mara ankamen, hatten wir, wie sich rausstellen sollte, schon gut vorgearbeitet.
Dort angekommen sollten wir, nach ein ein paar Yoga-Übungen zum warm und weich werden, uns unserer Wünsche und Ängste bewusst werden.
Das fiel uns Beiden leicht. Nach unserem Gespräch trieb nun alles an der Oberfläche, wir konnten es leicht abfischen und benennen.
Wir arbeiteten mit Kärtchen, auf die wir unsere Wünsche und Ängste schrieben, um sie dann vor uns auszulegen.
Nach und nach nahm jeder wieder seine Karten an sich und erzählte den anderen, was er mit den Worten darauf verband.
Zu hören, dass auch das andere Paar und Jan am meisten Angst davor hatten, nicht viel ausrichten zu können und darauf angewiesen zu sein, dass die Hebammen und Ärzte genug Zeit und Muße haben werden, rührte mich.
Resümee
Irgendwie ging es allen so!
Es ist eines der wichtigsten Ereignisse in unserem Lebens, wenn nicht DAS Ereignis überhaupt.
Gleichzeitig eine körperliche Ausnahmesituation für uns Frauen.
Warum schaffen wir es nicht, für dieses, meist auch noch recht planbare Ereignis bessere Rahmenbedingungen zu schaffen? Für alle! Hebammen und Ärzte ausdrücklich eingeschlossen.
Es sollte doch eigentlich ein Fest sein!
Wir schlossen mit einer Mediation ab, in der Mara uns anleitete, unsere Ängste in Gedanken in ein Kapitel eines Buches zu schreiben, Seite für Seite. Mir liefen die Tränen über die Wangen.
Als wir damit fertig waren, sollten wir die Seiten des verschriftlichten Grauens aus dem Buch reißen und damit ein Feuer anzünden. Ich ging in meiner Traumreise vom Schreibtisch zum offenen Kamin und warf Seite, für Seite ins prasselnde Feuer und genoss die Wärme. Anschließend sollten wir unsere Traumgeburt imaginieren.
Eingekuschelt im roten Traum-Samt-Ohren-Sessel malte ich mir aus, wie wir unseren Sohn ein würdiges Willkommen bereiten würden – seiner und meiner würdig – mit angemessenem, aber aushaltbarem Abschiedsschmerz meinerseits, in sicherer, Wohlfühl-Umgebung.
Jan und ich als glückseliges Elternpaar, dass sein gesundes Baby nach, sagen wir höchstens vier Stunden, in die Arme schließt.
Mit dieser Vorstellung im Herzen holte uns Mara sanft ins Hier und Jetzt zurück.
Hyp-, Hyp-, Hypnobirthing
Diese Meditation machte ich bis zur Geburt unseres Sohnes noch oft und sie brachte mir Stück für Stück die Zuversicht, dass es dieses Mal anders werden würde.
Wir sollten aber noch so unglaublich viel mehr von Mara lernen.
Zum Beispiel wieviel mehr Kraft wir bei fiesen Yoga-Arm-halte-Übungen hatten, wenn uns unser Partner beistand und vor allem, wie sich jeder von uns diesen Beistand wünschte.
Wir lernten Hypnose-Anker als Unterstützung zu setzen und uns auf unsere Atmung zu fokussieren. Mit deren Hilfe, also den Ankern, lernten wir unsere Partner zurück zu ihrem Atemrhythmus zu führen, wenn sie durch die Übung und die damit verbundene Anstrengung, aus dem Takt gerieten.
Wir lernten, wie die Muskulatur der Gebärmutter aufgebaut ist, welche Funktion dieser Aufbau bei den Wehen hat und wie wir mit unserer Atmung dafür Sorge tragen konnten, dass sie sich nicht verkrampfte, sondern mit Kraft unser Kind ins Licht der Welt schob. Und noch vieles, vieles mehr!
Mara ist einfach die Beste!
Am Ende dieser drei Samstage fühlten wir uns wirklich gut vorbereitet. Und wenn ich „wir“ sage, meine ich „wir“!
Jeder von uns hatten in seine Angsträume geschaut und das Licht darin angeknipst. Wir hatten sie gereinigt und mit neuen Vorstellungen, Wünschen und Zuversicht gefüllt und wir hatten uns jeweils dabei begleitet.
Kann losgehen!
Ich freute mich mittlerweile auf die Geburt und ich freute darüber, dass Jan und ich zu einer Art Team geworden waren. Hätte Mara in Hamburg gewohnt, wir hätten keinen Augenblick gezögert und mit ihr zusammen unseren Sohn zu Hause zur Welt gebracht.
Nach dem ersten Kurstag beschlossen wir, jedes Mal mit dem Auto nach Berlin zu fahren.
Wir verordneten uns diese gemeinsame Zeit auf engem Raum regelrecht.
Keiner von uns konnte weg, wir saßen auf dem Hin- und Rückweg für jeweils 3 Stunden nebeneinander und hatten Zeit zum Reden.
Das tat uns unglaublich gut – gemeinsame Zeit, nur für uns. Fokus auf unserem anstehenden, neuen Lebensabschnitt – unserem zweiten gemeinsamen und gleichzeitig vierten Kind – unserem bald zur Welt kommenden Baby!
„Welch wunderbares Geheimnis ist der Eintritt eines neuen Menschen in die Welt.“
Leo Tolstoi
Am 24.01. war es dann soweit. Die erste Wehe riss mich um 5.30 Uhr aus dem Schlaf – Mats hatte sich auf dem Weg gemacht!
*von mir gestrichen