favicon_B

Nestbau bei Patchworkern

auf das richtige Timing kommt es an!

Neues Heim Glück allein? Wenn wir gut auf uns und aufeinander aufpassen kann es gelingen.

WANN, WIE UND WO?

Das neue Zuhause bei Patchworkfamilien

Die Familiengründung bei Patchworkern beginnt in der Regel zwar auch mit einem Liebespaar aber während die Brut schon da ist, fehlt noch das gemeinsame Nest.

Damit das neue Zuhause sich für alle Familienmitglieder irgendwann heimisch anfühlt, braucht es das richtige Timing.

Aber gerade das ist oft schwer einzuhalten. Sehr häufig sind sich die neuen Patchwork-„Familienoberhäupter“ bewusst, dass ein schneller Zusammenzug eine große Herausforderung sein kann, aber die Finanzierung mehrerer Haushalte, plus Unterhaltszahlungen, sind eben auch eine solche – und das kann nur ein Grund von vielen sein, warum Patchworkpaare es beim Nestbau augenscheinlich eilig haben.

Die Startbedingungen spielen eine große Rolle, ob man sich ein weiteres Ei ins Nest legt, um das man sich kümmern muss.

 

Nestbau bei den Hillmers

Mein Mann und ich wohnten in unterschiedlichen Städten, er und seine Kinder in Hamburg, ich in Karlsruhe. Auch das war anstrengend und ich möchte fast sagen, dass das einzig Positive in dieser Zeit unserer Fernbeziehung war, dass wir beide eine Bahn-Comfort-Karte besaßen. Ich habe in dieser Zeit somit auch viele Verbesserungsvorschläge für die Deutsche Bahn erarbeitet und wenn ich diese mal wieder direkt nach meiner Ankunft meinem Mann erzählte, nannte er mich liebevoll „Frau Mehdorn.“*

Wir hatten unsere Wochenendbeziehung aber nicht nur wegen diverser Bahnerlebnissen satt, wir vermissten uns einfach und sehnten uns nach Gemeinsamkeit. Es wäre uns geradezu abstrus vorgekommen in getrennte Wohnungen zu ziehen und dies auch noch in ein und der selben Stadt! So dauerte es also auch bei uns nur ein Jahr, bis ich mit meinen Möbeln bei ihm und seinen Kindern einzog.

Damit war dann auch das bis dahin gelebte Nestmodell Geschichte und wir beide waren Dauerresidierende. Nun wechselten die Kinder einmal die Woche zwischen Mamas Wohnung und Papa Haus die Bleibe. Sie waren damals noch sehr klein, zwei und vier Jahre, und für sie schien der Wechsel des Betreuungsmodells unproblematisch. Sie haben immer gemeinsam als Geschwisterpaar gewechselt, sie hatten also ein vertrautes Familienmitglied an ihrer Seite und somit ein Stück Zuhause immer mit dabei. Das gibt Sicherheit und weniger Tränen, wenn einmal wieder das Lieblingskuscheltier vergessen wurde. Ich glaube es hat die zwei auch zusammen geschweißt und sie sind sich bis heute sehr nahe!

Was genau in den Köpfen meiner Beutekinder vorging weiß leider keiner – noch nicht einmal sie können sich an diese Zeit erinnern.

 

Fragt man ältere Kinder als unsere, stehen viele der „Neu-Familiengründung“ eher skeptisch gegenüber. Manche finden sogar, dass wir Großen unsere Bedürfnisse zurückstellen könnten, bis sie ausgezogen sind. Man darf dabei nicht vergessen, dass ein neuer Partner endgültig die Möglichkeit ausschließt, dass Mama und Papa wieder zusammenkommen. Sich mit diesem Gedanken anzufreunden braucht Zeit.

Und dennoch, viele Kinder sind auch neugierig auf die oder den Neuen und manche sind, trotz der gescheiterten Beziehung ihrer Eltern, kleine Romantiker geblieben und hoffen, dass nun mit der neuen Familie alles gut wird.

Um die vergangene Beziehung zu betrauern und sich mit der Trennung und den damit verbundenen Umstände zurecht zu ruckeln, braucht man mehrere Jahre.
Egal, ob man über 18 Jahre alt ist oder drunter.
Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass so mancher frisch Getrennte sich erst einmal so fühlt, als könne man nun endlich die Korken knallen lassen und wieder leben wie man möchte.

 

Schließlich im gemeinsamen Nest angekommen, waren mein Mann und ich in Honeymoon-Stimmung. Wir machten Nägel mit Köpfen und heirateten bereits ein halbes Jahr nach meinem Einzug.

Das hört sich überaus romantisch und vielleicht auch ein bisschen blauäugig an, aber für mich war dieses Versprechen überaus wichtig. Ich hatte mein Freundeskreis, meine gerade einigermaßen aufgebaute berufliche Selbständigkeit und meine Herkunftsfamilie in Karlsruhe zurückgelassen. Ich wollte, dass Jan schwört „bis an mein Lebensende“ –mindestens!

Ich bin mir heute nicht sicher, ob ich damals in der Lage gewesen wäre, einem von der Situation unserer schnellen Zusammenzugs herausgefordertem Kind oder gar Mann zu begegnen.
Eigentlich wollte ich nur, dass jetzt bitte alles schön ist!
Auch ich war in diesem Bezug sehr romantisch.

 

Es ist eine wirklich schwierige Aufgabe sowohl für sich und seine Kinder da zu sein und eine Familie zu gründen, das erzählen Patchworkfamilien immer wieder.

Allein sich dessen bewusst zu sein, dass diese Phase auch schwierig sein darf, kann schon helfen, wenn es nicht so glatt läuft und das ein oder andere Familienmitglied wenig Begeisterung zeigt.

 

Zeit für Quality Time statt für Ablenkung

So und nun kommt ein echter „therapeutischer Klopper-Satz“:
Kleine wie große Krisen sind immer auch Chancen! 

Sie als solche zu begrüßen, fällt uns nur nicht immer leicht.
Zum einen korreliert das Größenverhältnis Krise/Chance nicht wirklich linear und zudem ahnen wir, dass Chancen auch mindestens die Chance beinhalten, sie zu verpassen.

Doch wenn wir uns Zeit für uns und unsere Kinder nehmen, kommt mindestens dabei heraus, dass wir uns und unsere Welten besser kennenzulernen.

Dafür braucht es gar nicht soviel tatsächlich miteinander verbrachte Zeit  – auch wenn nicht zu verleugnen ist, dass gemeinsame Zeit hilft.
Es geht darum „gut in Kontakt zu sein“, sich und den anderen zu spüren. Es geht also mehr um die Qualität des Zusammenseins.

 


„Es gibt einen Grund warum wir unsere Köpfe auf der Brust
des anderen ausruhen – das Geräusch und Gefühl
des Herzens der anderen Person
ist die ultimative Erfahrung, dass man nicht alleine ist.“

Jesper Juul


 

Die Planung des gemeinsamen Freizeitprogramms darf also ruhig etwas vernachlässigt werden. Sich trauen, in dem Moment nachzufragen was dem Kind gerade durch den Kopf geht, wenn es nachdenklich oder traurig aussieht, das ist in dieser Zeit noch wichtiger als sonst.
Nicht auf den ruhigen Moment am Abend beim zu Bett gehen warten, um dann das Gespräch zu suchen. Da findet man das eigentliche Thema oft nicht mehr wieder.

Das liest sich leider einfacher als es ist!
Denn sich genau dann die Zeit zu nehmen und ohne Vorbereitung, doppelten Boden und schlaue Antworten offen in ein solches Gespräch zu gehen, ist selbst mit unseren Lieben nicht einfach.

Wir haben ja auch Angst vor den Sorgen unserer Kinder – auch wenn uns klar ist, dass es wichtig ist zu erfahren, auf was sie da gerade herumkauen.

  • Muss ich die Schule wechseln?
  • Meine Freundin sieht ihren Papa gar nicht mehr, passiert mir das auch?
  • Ziehen wir in eine andere Wohnung?
    etc.

Auf solche Fragen, fällt es schwer nicht sofort beschwichtigend zu reagieren und natürlich geht es auch nicht darum, unsere Kinder in ihrer Sorge zu bestätigen.
Es geht viel mehr darum, sie überhaupt erst einmal zu hören.
„Ah, dass ist es, was Dir durch den Kopf geht“ könnte dann eine mögliche Antwort sein und vielleicht auch eine Einladung an unser Kind, noch mehr von seinen Gedanken ins Freie zu lassen.

Das richtige Timing ist also mehr als der gut gewählte Zeitpunkt für den „Zusammen-Zug“ zweier Familien. Auch wenn dieser nicht perfekt ist, können wir uns die Zeit nehmen, um uns nah zu sein, uns zu sehen und zu spüren.

 

* Hartmut Mehdorn, Vorstandsvorsitzer der Deutschen Bahn AG (1999–2009)  

Share